Assassin’s Creed: Syndicate
Ich sags mal ganz schamlos: Ich mag Assassin’s Creed und habe (die Chronicles und den PSP-Teil ausgenommen) alle gespielt. Dabei gehe ich immer nach dem gleichen Muster vor. Kurz nach dem Erscheinen des jeweiligen Spiels spiele ich einige Stunden (manchmal auch an einigen Tagen) und dann ziemlich lange überhaupt nicht. Das ist nicht die Schuld von Assassin’s Creed sondern ein generelles Problem von Open-World-Spielen. Denn deren sehr offene Struktur ermüdet mich nach einiger Zeit. Und das bringt uns zum Thema des Backlog. Der besteht bei mir auch Open-World-Spielen und meistens irgendwas mit Horror, bei dem ich mich nicht traue weiterzuspielen. Aber einige Wochen oder Monate später packt mich meistens das Fieber und das gilt ganz besonders für Assasin’s Creed. Dazu trägt auch der Releasezeitraum bei, der dazu führt, dass die Winterferien eigentlich immer Assassin’s Creed gehört haben. Und wenn ich zurück zum Spiel komme, dann meistens mit der typischen Obsession eines Zwangsneurotikers. Dann kämpfe ich mich, bevor ich die Hauptmission auch nur erneut anfasse durch alles, was die Nebenmissionen zu bieten haben und mache erst dann mit der Geschichte weiter, wenn der gesamte Rest durchgespielt ist.
Assassin’s Creed: Syndicate Überblick
Aber nun zum Spiel an sich: Assassin’s Creed: Syndicate hat es nicht einfach. Es ist der Nachfolger eines Skandals. Und soviel sei verraten: Es macht einiges aus seiner schwierigen Ausgangssituation. Assassin’s Creed Unity war wunderschön, litt aber unter extremen technischen Problemen und einer relativ lustlosen Geschichte sowie einem blassen Helden. AC: Syndicate scheint wie eine Entschuldigung, wie ein Spiel, dass genau weiß was schief gelaufen ist. Das fängt bei der Technik an, die immer noch gut ist. Aber konservativer. Weitsicht, Personendichte, Texturdetails sind zurückgenommen worden, was sich sehr positiv auf die Performance auswirkt. Nicht falsch verstehen: London sieht großartig aus und wurde noch nie so glaubwürdig in einem Spiel dargestellt. Viele liebevolle Details warten am Wegesrand nur darauf entdeckt zu werden. Doch nun zum wirklich großen Pluspunkt gegenüber dem direkten Vorgänger Unity. Die beiden Hauptcharaktere: Evie und Jacob Fry. Sie kommen nach London um in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten und die Stadt aus dem Griff von Crawford Starrick zu befreien. Dabei inszeniert das Spiel die beiden mit einer Menge Witz, Charme und Biss der mitunter in seiner Pulpigkeit an die Uncharted-Serie erinnert. Nachdem bisherigen Fehlen eines weiblichen Hauptcharakters in der Assasin’s Creed Serie auf den Heimkonsolen und der relativ blassen Aveliné auf der Vita liefert Ubisoft mit Evie eine glaubwürdige und toughe Hauptfigur, die sich nicht scheut sich den Plänen ihres oftmals überstürzt handelnden Bruders in den Weg zu stellen.
Starke Charaktere
Der Gegenspieler Starrick hat zwar eine relativ geringe Screentime, ist aber effektiv inszeniert und als ambivalenter Charakter angelegt. So sieht man sich als Spieler mit einer Figur konfrontiert, die man nicht gänzlich einordnen kann und die nicht selten Zweifel an den Motiven der Assasinen aufkommen lässt.
Evie und Jacob sind beide nicht zum Selbstzweck im Spiel. Beide haben jeweils eigene Missionen, welche die Handlung aus unterschiedlichen Richtungen vorantreiben. So soll Jacob zum Beispiel einen wichtigen Banker töten, stürzt damit aber auch fast die britische Wirtschaft in den Abgrund. Evie wird von einem befreundeten Beamten gebeten, die Situation wieder gerade zu rücken. An dieser Stelle möchte ich zum weiteren Hergang nicht zu viel verraten. Evies Missionen sind dabei unterteilt in ein eigenes Unterfangen und das Ausbessern von Jacons Ungereimtheiten. Dabei sind Evies Missionen nie zweitranging sondern ebenso wichtig wie jene von Jacob. Allerdings bringt diese Unterteilung auch einen faden Beigeschmack: Zwar haben beide Charaktere getrennte Fähigkeiten, ein Großteil dieser ist bei beiden jedoch identisch. So muss man Unterschiede im Gameplay beider Charaktere mit der Lupe suchen.
Nebenmissionen als Beschäftigungstherapie
Neben der Hauptgeschichte stehen noch unzählige Nebenmissionen zur Verfügung. Vorbestellter auf der Playstation erhalten zusätzlich zu denen in allen Varianten enthaltenen die Darwin und Dickend Verschwörung dazu. Zu diesen gesellt sich im Spiel die Aufklärung verschiedener Verbrechen, die sich optisch ähnlich gestalten, wie bei Sherlock Holmes Crimes and Punishments, jedoch ungleich weniger Komplex sind und nach Schema F ablaufen. Außerdem lässt egal bei welcher Art Nebenmission die Inszenierung deutlich zu wünschen übrig. Das ist insofern schade, als dass Spieler auf Persönlichkeiten wir Charles Darwine und Charles Dickens treffen und diese außer beim ersten Zusammentreffen nur ingame zu Wort kommen. Das ist ähnlich wie bei Unity schade und wirft die Inszenierung der Missionen deutlich hinter vergleichbare Titel wie the Witcher 3 und Dragon Age zurück. Diese Missionen kann man also ganz zurecht weit hinter der Hauptstory einordnen. Noch eine große Stufe darunter stehen die vielen Hol, bring oder zerstör Missionen die in London verteilt sind. Diese besitzen eine leichte Hintergrundgeschichte, die im Endeffekt keine Rolle spielt. Sie dienen schlicht und ergreifend dem Sammeln von Geld, Herstellungsgegenständen und dem Vertreiben von Zeit. Das heißt nicht, dass sie keine nette Abwechslung wären, sie sind nur nicht wirklich ergiebig und dürften für die meisten Spieler von wenig Interesse sein.
Kämpf um dein Leben (und mit der Steuerung)
Anders sieht es hingegen mit den Rennen und Kämpfen aus. Vor allem die Kämpfe sind teils wirklich knackig und verbreiten die aus verschiedenen Filmen bekannte Atmosphäre von Kampfclubs aus der Zeit um 1860. Die Rennen sind dann besonders spannend, wenn es mit der Kutsche gegen die Dampfeisenbahn geht. Die Rundenrennen hingegen leiden oft unter Aussetzern der KI und werden sehr schnell sehr einfach.
Ein weiterer Schwachpunkt (wenn auch nicht mehr so schlimm wie früher) ist die Steuerung. Im besten Fall funktioniert sie hervorragend. Dann versagt sie im nächsten Moment bei einfachen Aufgaben wie dem Klettern. So klettern Evie und Jacob schonmal an der falschen Stelle und eine Mission ist vorbei weil man erwischt worden ist, wo es nicht wirklich nötig war. Sollten die Gerüchte um eine Pause im Jahr 2016 stimmen, dann ist das eine der Stellen, an denen Ubisoft noch deutlichen Fein- und Grobschliff vornehmen muss. So ist die Steuerung seit Unity zwar besser, aber teilweise von gut und zeitgemäß noch ein ganzes Stück entfernt. Ein gutes Beispiel wäre Tomb Raider, dass dem Spieler alle Freiheiten beim Steuern gibt und clevere Automatismen integriert, wo sie nicht stören sondern unterstützen.
Nur kein Mehrspieler ist ein guter Mehrspieler
Einen Mehrspielermodus sucht man übrigens vergebens und das war eine gute Entscheidung. Der Koop bei Unity war eine interessante Idee, litt aber unter der hastigen Umsetzung. Er darf aber gerne in verbesserter Form im nächsten Assasin’s Creed wieder auftauchen, dann vielleicht im Tandem mit dem Versus Mehrspieler aus den Vorgänger, der sehr kurzweilig war.
Wie Assassin’s Creed: Syndicate mir gefallen hat
Und wie hat Assassin’s Creed: Syndicate mir gefallen? Ziemlich gut. Und wer die Assasin’s Creed Serie genauso schätzt, wie ich, der wird auch mit Syndicate große Freude haben. Allerdings sollte gesagt sein, dass es ein Assassin’s Creed durch und durch ist. Es schleppt Probleme mit sich herum, welche die Serie durch ihren jährlichen Rhythmus nie ganz abschütteln konnte (Steuerung, du bist gemeint). Die Nebenmissionen sind kläglich inszeniert, vor allem wenn man die Videosequenzen für die Story betrachtet.
Das was das Spiel für mich trotzdem gut macht, sind die spannende und straff erzählte Geschichte und die tollen Charaktere. Das gilt nicht nur für die Fry Zwillinge sondern auch ihre Gegner und Verbündete, die gut harmonieren und sowohl im Englischen als auch im Deutschen hervorragend synchronisiert sind(auch wenn die Lippenbewegungen manchmal nicht wirklich zum Gesagten passen) Außerdem ist London eine wahre Augenweide und es macht Spaß, durch die Straßen zu laufen und die vielen Details zu entdecken.
Für Fans also ein Daumen hoch und für Skeptiker, die mit Unity eigentlich mit der Serie abgeschlossen hatten einen Blick wert und dann vielleicht doch der Beweis, dass die Serie sich seit dem ersten Teil vor acht Jahren nicht wirklich weiterentwickelt hat. Für mich persönlich ist das Spiel jedoch völlig zu Unrecht in den Backlog gewandert (was hoffentlich auch für die beiden anderen Titel gilt)
Marv