Die Sucht nach Fallout 4 oder warum Liebe blind macht
Fallout 4 ist einer der Anwärter auf den Titel »Spiel des Jahres« und dabei bietet es sich nicht völlig offensichtlich dafür an. Die Technik ist antiquiert und das Spiel, auch wenn es aussehen mag wie ein Egoshooter ist ein knallhartes Rollenspiel, dass seinen Isometrischen Uhrvätern in fast nichts nachsteht. Da verwundern einen die ersten Reaktionen auf die Trailer und das Gameplay kaum und trotzdem hat dieses Spiel mehr. Die Geschichte einer Reihe von Überzeugungskonversationen und der Suchtspirale.
Vor einigen Tagen habe ich einem Bekannten das neue Fallout empfohlen. Natürlich kamen dabei die üblichen Dinge, die Außenstehende so über Fallout sagen, wenn sie sich den Trailer und etwas Gameplay angesehen haben. »Das sieht scheiße aus« und andere Sätze sowie Vergleiche mit der großartigen (Konsolen) Optik von Batman Arkham Knight später hatte ich ihn zumindest soweit es mal aus der Videothek auszuleihen. Nur wenig später sehe ich, dass er das Spiel im PSN spielt und das nicht nur fünf Minuten lang. Auf die erste Nachfrage gab es eine etwas abgemilderte Variante der ersten Aussagen. Die Technik war nach wie vor schlecht aber das Bauen war absolut süchtig machend, wenn auch schlecht zu steuern.
Meine Meinung, seine Meinung
Überraschend dann die nächste Konversation. Das Spiel hätte ihn gepackt und er fände inzwischen auch die Grafik gut. Kurz darauf auf Twitter ein Bild vom eigens im Spiel errichteten Kino. Nur was war passiert. Aus einem strengen Kritiker, der Spiele und meine Meinung dazu sonst nicht mit Samdhandschuhen anfasst, war jemand geworden, der dieses Spiel mit seinen vielen Ecken und Kanten so verinnerlicht hatte, dass es fast unwirklich schien.
Die Bethesda (Nicht)Formel
Hier kommt für mich das größte Talent von Bethesda zum Tragen. Sie können Welten mit wenigen Pinselstrichen schaffen, die den Spieler mit Haut und Haar verschlingen und ihn teils hunderte von Stunden in ihren Bann ziehen. Dabei sehen fast alle anderen (Bis auf Obsidian vielleicht) alt dagegen aus, egal wie schön ihre Technik und wie ausgereift das Drehbuch auch sein mag. Bei einem Bethesda Spiel ist das Drehbuch egal. Die Hauptgeschichte geht unter und wird ersetzt von einer Geschichte, die nicht viele Spiele erzählen: Der eigenen Geschichte. Der eigene Charakter, was man baut, wen man trifft, formt eine Erfahrung die über das hinausgeht, das Spiele sonst zu leisten im Stande sind, was keine »wähle deinen Weg« Geschichte geben kann und was die Open World von einem linearen Spiel mit Open World Konzept unterscheidet. Das dürfte auch die vielen sehr positiven Kritiken erklären. Diese sehr spezielle Art eine Open World Spiel zu machen, unterscheidet sich drastisch von modernen Vertretern des Genres. Und vielleicht ist es genau das, was Bethesda Spiele ausmacht. Sie beugen sich nicht den neuen Entwicklungen sondern sind Klassiker in sich und durch Systeme, die keiner speziellen und immer wieder verwendeten Formel folgen (nicht, dass ich etwas gegen Ubisofts Open World hätte, ganz im Gegenteil)
Also?
Kaum ein anderes Spiel dürfte so viel Atmosphäre wie Fallout haben, dass es reicht, nahezu alle Unzulänglichkeiten auszugleichen. Wer also noch darüber nachdenkt, ob er sich Fallout 4 trotz der schwachen Technik kaufen soll, bekommt von mir eine definitive Antwort: Ja. Man sollte sich aber dann auch wirklich mit dem Spiel auseinandersetzen, da einem dessen positive Eigenschaften sonst entgehen könnten.
Marv